Ein gesundes Selbst(wert)gefühl ist eine der Grundlagen, um
- längerfristig physisch und psychisch gesund zu bleiben
- mit schwierigen Situationen im Leben konstruktiv umzugehen
- sein Potenzial und seine Persönlichkeit authentisch zu entfalten
- andere Menschen und Lebewesen gut zu behandeln und echt sozial zu sein
Das Selbst(wert)gefühl ist unser Wissen, wer wir denn eigentlich sind und wie gut wir zu uns und unseren Eigenschaften stehen. Wie gut wir uns selber akzeptieren als die, die wir sind. Es entscheidet über das Wohlbefinden in unserem Leben. Es wächst, wenn wir gesehen und anerkannt werden. Im Gegensatz zum Selbstvertrauen, welches über Lob und Erfolge gestärkt wird, hat der Selbstwert nichts mit Fähigkeiten, Aussehen, Besitz, sozialem Status oder anderen äusseren Dingen zu tun.
Sie stärken und gesunden Ihr Selbst(wert)gefühl jedes Mal, wenn Sie Ihre eigene Integrität (d.h. Ihre Eigenart, Ihre Werte, Gefühle und Grenzen) (be-)achten und schützen. In jeder Lebenssituation können Sie sich dafür entscheiden und dies immer mehr tun. Das bedeutet, dass Sie immer mehr «echt als recht» werden. Authentisch eben, und sich selber treu.
Die wenigsten Menschen haben jedoch ein gesundes Selbst(wert)gefühl entwickeln dürfen, denn:
Menschen als Beziehungstiere brauchen eine «artgerechte Haltung»
Menschen benötigen um die 20 Jahre, um auszureifen. Das Umfeld «programmiert» sozusagen unsere Gehirne. Als Kinder und Jugendliche sind wir deshalb total von den Erwachsenen um uns herum abhängig, ob und wie positiv sich unser Selbst(wert)gefühl entwickeln kann. Das passiert insbesondere, wenn wir von anderen Menschen «gesehen» und anerkannt werden als die Personen, die wir sind. Und wenn wir erleben, für andere Menschen wertvoll zu sein, ohne uns verstellen oder etwas leisten zu müssen.
Erst da wo Eltern, Fachpersonen, Lehrerinnen und Lehrern beziehungsorientiert (autoritativ) führen, also Autorität nicht durch Rolle oder Machtgebrauch ausüben, passiert menschliche Führung. Solche Personen werden sich gleichwürdig verhalten, die Integrität und die Bedürfnisse von Kindern genügend achten und somit schützen. Damit diese sich zu gesunden Erwachsenen entwickeln und entsprechend Selbst(wert)gefühl aufbauen können.
Als Erwachsene sind es dann die Führungspersonen in der Arbeitswelt, welche durch ihr Verhalten die Möglichkeit haben, uns Selbstwert-basiert auf Augenhöhe zu führen. Dass es Druck, Manipulation und Strafen braucht, dass Menschen kooperieren, ist eine Mär. Was sie brauchen sind Vorbilder mit gelebten Werten.
Ungesunde autoritäre Prägung
Von «nicht artgerechter» menschlicher Führung und Erziehung kann man dann reden, wenn sie autoritär über Gehorsam, d.h. über verschiedene Formen von Manipulation (Angstmache, Belohnung, Bestrafung, Beschuldigung und Beschämung) geschieht oder geschehen ist. Auch das Gegenteil, wenn Erwachsene antiautoritär bzw. «laissez faire» auf Führung verzichten, dient der gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht.
Ich spiele also darauf an, dass viele der gesellschaftlichen Probleme und individuellen psychischen und physischen Schwierigkeiten (Verhaltensauffälligkeiten, Süchte usw.) den Ursprung haben in der – für menschliche Wesen unnatürlichen und ungesunden – autoritären Prägung. Denn Menschen als «Beziehungstiere» brauchen existenziell, dass sie gleichwürdig und menschlich als Subjekte behandelt werden. Denn immer da, wo wir als Objekte benutzt, manipuliert, zu etwas überredet oder «gezwungen» werden, wird unsere Integrität verletzt und verringert sich unser Selbst(wert)gefühl.
Der andere Blick – wir stehen noch am Anfang
Immer mehr wird in unseren Breitengraden dieser Beziehungsblick erkannt und gelebt. Und trotzdem braucht es noch viel bewusste Reflexion und Arbeit, diese alten gesellschaftlichen und individuellen Muster zu verändern. Hartnäckig und tief vergraben in unseren Körpern ist seit Generationen das Thema «Gehorsam». Die Idee, dass es starke Führer braucht. Dass wir unsere Verantwortung an andere abgeben können. Noch zu oft lassen sich «mündige Menschen» von Medien, Politik und Werbung manipulieren. Die Suche nach äusserer Sicherheit statt innerer Stärke. Eigenverantwortung ist ziemlich anstrengend. Sobald ich sie übernommen habe, kann ich niemandem mehr die Schuld geben.
Das oberste Ziel in den Lehrplänen ist seit jeher, dass wir mündige Bürgerinnen und Bürger sein sollen. Dieses Ziel kann so nicht erreicht werden. Es braucht dafür einen anderen Umgang mit uns selber und unseren Kindern in Erziehung und Bildung. Andere Umgangsformen in der Arbeitswelt.
Machen wir uns daran, diese autoritäre Prägung abzuschütteln, um sie nicht mehr an andere weiter zu geben. Das Thema «Vom Gehorsam zur Verantwortung» ist sowohl auf der individuellen wie auf der gesellschaftlichen Ebene zentral. Es berührt die Familien, die Schule, die Wirtschaftswelt. Es macht Politik! Bleiben Sie mit mir dran?