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Haltung Tag

Wir alles sind Marlen Reusser I – Täglich im existenziellen Konflikt (#017)

Am Beispiel von Marlen Reusser lässt sich der existenzielle Konflikt nochmals wunderbar erklären. Die Schweizer Radrennfahrerin hat mitten in einem wichtigen Rennen ohne ersichtlichen Grund aufgegeben. Ich habe grossen Respekt vor Frau Reusser, ihrem Entscheid und freue mich, dass sie «die Vorgänge in ihrem Inneren» der Öffentlichkeit zu Verfügung gestellt hat (Quelle: St. Galler Tagblatt vom 12. August 2023). Das, was ihr passiert ist, betrifft uns alle. Täglich!

Am 10. August 2023 startete sie an der Rad-Weltmeisterschaft in Schottland als Favoritin im Einzelzeitfahren. «Doch nach etwas mehr als der Rennhälfte sitzt die Schweizerin nicht mehr auf dem Sattel, sondern mit aufgerissenem Trikot und weinend im Gras am Strassenrand.» In einer aufschlussreichen Stellungnahme hat sie zusammengefasst berichtet, dass sie das Sportlerinnenleben mit viel Leidenschaft betrieben, dieses jedoch in den letzten Monaten stark am Energiehaushalt gezerrt hat. Wegen einer intensiven und erfolgreichen Saison blieb kaum Zeit und Raum, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Hier meine Interpretation, die ich den Leserinnen und Lesern als Idee zu Verfügung stelle: Marlen Reusser ist das passiert, was – in unserer aktuellen Gesellschaft –  neun von zehn Menschen unbewusst passiert. In den meisten Fällen übergeht man Integrität und wählt Kooperation. Sagt JA, auch wenn man innerlich bei NEIN ist. Dabei ist es keinesfalls Egoismus, die eigene Gesundheit und Bedürfnisse zu schützen, sondern schlicht und einfach lebensnotwendig. Diese Grundkompetenz wird jedoch in unserer Gesellschaft übergangen. Wir lernen das nicht als Kinder, weil die wenigsten Erwachsenen diesbezüglich schon Vorbilder sind. Wenn von Verantwortung geredet wird, meint man aller meistens die soziale Verantwortung.

Sie habe zwar gespürt, dass sie eine Pause brauchte, dies aber aus Rücksicht auf all die involvierten Menschen (Fans, Verband, Sponsoren …) und ihre Position («Mein Leben ist ein Privileg») nicht gemacht.

Marlen Reusser hat aus meiner Aussensicht eine Musterkarriere hingelegt: Zuerst Ärztin, danach Radprofi. Wenn man etwas echt will und aus eigenem Willen kooperiert, ist das kein Problem. Auch dass man für eine Zeit lang Bedürfnisse für ein angepeiltes Ziel unterdrückt. Wenn man aber aufgrund von Erwartungen (Lehrpersonen, Eltern … später dann auch Fans, Verband und Sponsoren) Normen erfüllt oder sich zu stark anpasst, kann das im wahrsten Sinne des Wortes schiefgehen, gerät die Balance in Schieflage: «Lebe ich mich» oder «Lebe ich die Erwartungen anderer». Oder anders gesagt: Entwickle ich (m)eine echte Identität oder eine (sogenannte) Fake-Identität.

«In diesem Zeitfahren habe ich erkannt, dass ich überhaupt nicht bereit bin, das nicht will. Ich habe das für andere Leute getan. Es wäre dann der Teil gekommen, in dem ich hätte aufdrehen müssen, und ich hatte überhaupt keinen Bock darauf. Und danach habe ich angehalten.»

Ist die Balance zwischen Integrität und Kooperation nicht ausgeglichen, sendet der Körper zuerst leise Signale aus. Nehmen wir diese nicht wahr, werden sie immer lauter, bzw. entstehen Symptome. Burn-Out ist ein solcher Fall: Erlaubt mir mein Kopf nicht «Jetzt ist Schluss» zu sagen, macht es der Körper». Insofern war die Millisekunde der Erkenntnis während des Zeitfahrens vielleicht «katastrophal» für das Rennen, für ihr weiteres Leben jedoch mit ziemlicher Sicherheit ein Glücksfall.

«Ich habe noch nicht genug vom Velofahren. Ich werde wieder Wettkämpfe bestreiten. … Aber ich muss mehr auf mich und meinen Körper hören.»

Für ihre weitere Karriere würde es für Frau Reusser Sinn machen, eine Balance zu finden zwischen persönlicher und sozialer Verantwortung. Dass sie ihre Integrität ebenso achtet wie das Bedürfnis nach Kooperation. Immer wenn ein Mensch für sich selber einsteht, stärkt er oder sie den eigenen Selbstwert und somit Gesundheit und Resilienz.

«Womöglich würden ganz viele Leute mal eine Pause benötigen, und wir sollten mehr davon machen.»

Dafür ist es unerlässlich, persönliche Verantwortung zu übernehmen. In der Schule und Arbeitswelt lernen wir es nicht, auch die wenigsten von uns haben dies in ihren Familien mitbekommen. Es ist deshalb wichtig für Eltern, Fachpersonen, Trainerinnen und Trainer, Lehr- und Führungspersonen, dass wir uns das immer mehr selber aneignen, damit wir diese Kompetenz Kindern und Jugendlichen auch weitergeben können.

Wäre Marianne Reusser bei mir im Coaching, würde ich mit ihr nach der Methode des Zürcher Ressourcen Modell ZRM® ein passendes Motto-Ziel finden, um dieses neue Verhalten der Abgrenzung möglichst schnell zu etablieren. Dazu ist die Unterscheidung zwischen Selbstregulation und Selbstkontrolle wichtig, beziehungsweise die Integration von Verstand und unbewussten Anteilen. Sie finden diese Infos bei den ZRM-Häppchen hier.

Quellen:
Helle Jensen/Jesper Juul: «Vom Gehorsam zur Verantwortung»
Maike Plath: «Das Veto-Prinzip®»

Siehe dazu: Existenzieller Konflikt (#014) / Kooperationsimpuls (#006)

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Konsequente Inkonsequenz (#016)

Letzthin haben wir in einer Supervisiongruppe den Begriff «bewusste oder reflektierte Inkonsequenz» erfunden. In der Reflexion mit dem Übertitel «Umgang mit Widerstand*» ging es um die Herausarbeitung einer längerfristig nützlichen Haltung im Team. Es war schnell klar, dass hier nicht – wie oft beobachtbar in pädagogischen Teams – zwei «unversöhnliche» Haltungen gegenüberstehen: Die eine Gruppe, die für totale Konsequenz steht, die andere, die für beziehungsorientiertes situatives Vorgehen ist. Also keine Diskussion, sondern das Ringen um einen gemeinsamen Weg:

„Wie wollen wir vorgehen, im Wissen darum, dass der autoritäre Umgang mit «Widerstand» über Formen der Manipulation wie Belohnen/Bestrafen usw. die Beziehung torpediert und Trennung statt Verbindung schafft. Und lediglich dazu führt, dass beim Gegenüber weder eigenveranwortete Kooperation noch persönliches Commitment entsteht. Und was tun wir, wenn wir selber unsicher sind, um nicht in autoritäre Muster zurückzufallen?

Es ging also darum, sich im Spannungsfeld  «Autoritär versus Beziehungsorientierung» zu reflektieren und eine Haltung zu entwickeln, die langfristig wirkliche Resultate in Bezug auf die Kooperation bringt. Darum ist es für echte pädagogische Prozesse wichtig in Bezug auf Bezugspersonen einerseits konsequent ein Ziel zu verfolgen, andererseits das «noch nicht» auszuhalten. Denn dieses Vorgehen ist langfristig 100x nützlicher und stärkt bei allen Beteiligten Integrität und Resilienz:

„Konsequente Inkonsequenz“ kann also verglichen werden mit folgenden Begriffen aus dem Yoga: «Ishvarapranidana», was «Hingebungsvoll loslassen» bedeutet. Oder «sthirasukram», was «Entspannte Aufmerksamkeit» bedeutet. Bei allen diesen Beispielen geht es darum, zwei unterschiedliche Qualitäten miteinander zu verbinden.
Keine Person hat auf das «Richtige» gepocht, es wurde sozusagen das gesamte Spektrums der Wirklichkeit ausgelotet. Und das verbindet und hat man auch in der Gruppe gespürt.

Das Gegenteil wäre die zufällige oder fahrlässige Inkonsequenz bei Grenzüberschreitungen. Oder die Inkonsequenz den eigenen Werten gegenüber (Z.B.: Weil du dich so und so verhältst, bin ich jetzt gezwungen andere Saiten aufzuziehen.“) Ich muss mit den Bezugspersonen wollen und «Ich will mit dir und bleibe dran» signalisieren, erst recht, wenn sie (noch) im Widerstand sind.

*Wenn wir systemisch denken wird der Begriff «Widerstand» überflüssig und für die Lösungssuche zum Hindernis. Wir würden mehr von «Hinweis» reden, dass für das Gegenüber etwas nicht stimmig oder sinnvoll erscheint. Denn alle Menschen lieben es grundsätzlich zu kooperieren. Siehe dazu: Existenzieller Konflikt (#014) / Kooperationsimpuls (#006)

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Sind Sie auf Ihrer Bahn? (#015)

Ich habe aus dem Vetoprinzip* das Format «Action-Figuren-auf Bahnen» kennenlernen dürfen. Ein wunderbarer Erfahrungsspielraum, damit Menschen für sich am Thema Präsenz, Achtsamkeit und (Selbst-) Führung forschen können. „Bin ich auf meiner Bahn?“ ist eine wichtige Analogie für eine zentrale Kernkompetenz beim Führen.

Das Format ist einfach und schlicht. Die Aufgabe zuerst banal. Jede Person hat eine Bahn von ca. 10 Metern zu Verfügung, auf welcher man (für lediglich 4 Minuten) machen soll, was man will. Und machen was man will bedeutet auf einer Skala von (fast) gar nichts (z.B. am Boden liegen, in langsamem Schritt die Bahn rauf und runter gehen) bis fast alles (z.B. laut das Publikum beschimpfen, Tanzschritte ausüben, die Landeshymne singen).

So einfach die Aufgabe ist, sie deckt alles auf, was im Kontext Präsenz und Selbstführung von Bedeutung ist.

  • Wie empfinde ich die Zeit? Zu lang oder zu kurz? Oder genau richtig?
  • Wann war ich motiviert etwas zu tun? Gab es auch „Motivationslöcher“ oder Phasen, in denen ich keine Ideen hatte Wie bin ich damit umgegangen?
  • Wann war ich bei mir selbst (also im Flow) und wann war ich im Bewertungs-Modus (innerer Zensor)? Wann war ich „Ausser-mir“)?
  • Wie bin ich mit Phasen des „Ausser-Mir-Seins“ umgegangen?
  • Habe ich von mir etwas gezeigt oder habe ich mich versteckt?

Wie gut kann ich bei mir und somit auf meiner „inneren Bahn“ bleiben, auch wenn andere nicht gleich das wollen was ich will? Wenn der Sohn aus dem Zimmer „Nein“ ruft? Schüler*innen sich nicht an Regeln halten? Wenn Mitarbeitende nicht gleich meine Aufträge ausführen? Wenn ich etwas in die Welt bringen will und Gegenwind aufkommt? Kann ich da bei mir, beziehungsweise in der inneren Ruhe bleiben? Oder wirft es mich dann gleich aus der Bahn? Verliere ich den Fokus auf mein Inneres und meine eigenes Vorhaben, werde nervös und verliere mich dann, weil ich zu stark ins Aussen, zum anderen und dessen Verhalten gehe? Und reagiere dann mit ungewollten automatisierten Verhaltensmustern?

Das kann auch in einem Gespräch passieren oder in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Schaue ich immer darauf, was andere Menschen auf ihrer Bahn machen? Lasse ich mich von anderen von meinem Weg abbringen? Werde ich unsicher, weil ich mich frage, was sie über mich denken? Gelingt es mir da, gemäss der 60:40 „Regel“**, trotzdem etwas mehr bei mir zu bleiben statt beim Gegenüber. Den Fokus auf mich, meinen Körper, meine (Aus-)Richtung zu halten. Eben auf meiner Bahn zu bleiben.

Genau darum geht es, wenn wir beziehungs- und selbstwertorientiert auf Augenhöhe führen: Die Balance zu halten zwischen Führung (auf meiner Bahn bleiben) und Empathie (die Bahn des Gegenübers beachten). Die 60 steht für Führung, Klarheit,  Dranbleiben, Vorangehen. Die 40 steht für Empathie, die Perspektive wechseln, das Gegenüber wahrnehmen und in Resonanz gehen.

Die Action-Figuren auf Bahnen und das Veto-Prinzip können Sie in verschiedenen Seminaren kennenlernen, z.B. hier

Quellen:
*Maike Plath
**Helle Jensen

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Ein Leben lang im existenziellen Konflikt (#014)

Menschen stecken ihr ganzes Leben lang im sogenannten existenziellen Konflikt. Das heisst, wir müssen immer wieder darauf achten, unsere beiden Hauptbedürfnisse zu befriedigen. Das ist auf der einen Seite das Bedürfnis nach Autonomie und der Schutz der eigenen Integrität. Und auf der anderen Seite das Bedürfnis nach Bindung und damit das Kooperieren mit anderen Menschen und der Gesellschaft.

Im vielen Situationen kann man beide Bedürfnisse gleichzeitig unter einen Hut bringen, manchmal muss man sich auch für das eine oder andere entscheiden. Wenn ich mich für meine Integrität entscheide, dann übe ich persönliche Verantwortung aus. Entscheide ich mich für die Gemeinschaft übernehme ich soziale Verantwortung.

Dabei ist wichtig zu beachten, dass sich Menschen in neun von zehn Fällen für Kooperation entscheiden. Wir stellen unsere Bedürfnisse eher zurück, mit der Folge, unsere eigenen Grenzen zu übergehen. Dies weil Menschen einerseits das Kooperieren lieben, sie andererseits aber ihren Platz in der Gemeinschaft nicht aufs Spiel setzen wollen.

Dabei ist es für längerfristige physische und psychische Gesundheit lebenswichtig, sich selber Sorge zu tragen. Dies hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern ist eine lebenslange Aufgabe. Jedoch haben die wenigsten von uns dies auch gelernt. Wenn in der Gesellschaft von Verantwortung geredet wird, wird meist die soziale Verantwortung gemeint.

Es ist also eine Entwicklungsaufgabe, den persönlichen Grenzen gut Sorge zu tragen. Besonders auch dann, wenn wir Führungspersonen sind. Egal ob als Eltern, Chef*innen oder Lehrpersonen. Sind wir hier Vorbild, stärken wir die Integrität und den Selbstwert von anderen. Und: Menschen, die selber gut für sich sorgen, sind besser in Balance und somit auch «echter» sozial.

Quelle: Helle Jensen/Jesper Juul: „Vom Gehorsam zur Verantwortung“

Siehe dazu: Täglich im existenziellen Konflikt (#017) / Kooperationsimpuls (#006)

Die Neue Autorität in den Körper bringen (#013)

Die NEUE AUTORITÄT von Haim Omer ist ein in Schulen, Institutionen und auch von Eltern vielbeachtetes Konzept, um Kinder und Jugendliche konsequent zu führen ohne auf die alten autoritären Formen von Belohnen, Bestrafen, Beschuldigen und Beschämen zurückzugreifen. Mir gefällt die Idee und im Grundsatz stehe ich sehr dahinter. Jedoch überkommt mich seit jeher immer wieder ein Störgefühl, das ich hier endlich einmal zu formulieren wage.

Meiner Meinung nach wird das Konzept seinem Namen erst dann gerecht und erzielt die erwünschte Wirkung, wenn nebst den Methoden die dazugehörige Haltung von allen beteiligten Erwachsenen auch wirklich verinnerlicht und gelebt wird, in Verstand, Körper und Gefühl. Hierzu hege ich meine Zweifel, wie weit wir da schon sind! Und falls dem so wäre, wären gewisse Praktiken und Methoden der NEUEN AUTORITÄT ziemlich übergriffig und keineswegs mehr gleichwürdig.

Mich umtreibt daher schon länger die Frage, wie diese NEUE AUTORITÄT nachhaltig in den Körper von Eltern, Lehr- und Fachpersonen kommt.

Nebst den Werten von Jesper Juul, die ich seit Jahren weitergebe, ist das Veto-Prinzip von Maike Plath ein möglicher Weg für diese körperliche und emotionale Vertiefung, dessen Wirkung ich am eigenen Leib erfahren habe. Das ist der Grund, warum ich dieses Training unbedingt zu uns in die Schweiz holen wollte:

Über verschiedenste Übungen erhalten Fachpersonen die Möglichkeit, die eigenen autoritären Prägungen zu entlernen, und somit immer mehr jene Präsenz zu entwickeln, die es für die Neue Autorität braucht. Einerseits ist dies die innere Präsenz, mit sich und seinen Werten verbunden zu sein. Aus dieser Präsenz fällt man sofort, wenn man sich beispielsweise in Gedanken ertappt, was andere über einen Denken. Die äussere Präsenz manifestiert sich in der Körpersprache. Hier ist der Clou die bewusste Auseinandersetzung mit der Statuslehre, welche allen Menschen intuitiv vertraut ist. Diese ist der Schlüssel dazu, dass sich verbale und nonverbale Signale synchronisieren. Dies wiederum erhöht unsere Authentizität, die nach Jesper Juul eine zentrale Komponente beziehungsorientierter Führungspersonen ist.

Informationen zur VETO-Weiterbildung finden sich hier:

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Haben Sie VETO-Kompetenz? (#012)

Ein kleines Gedankenexperiment: Gehen Sie in Ihre Führungsrolle, sei das als Führungsperson, Lehrerin oder Vater. Stellen Sie sich vor, wie sie Ihrem Angestellten, ihrem Schüler oder ihrer Tochter einen Auftrag geben. Sie möchten, dass Ihr Gegenüber dies oder das für Sie macht. Sie erklären den Auftrag, den Zeitpunkt, das Wie. Und vom Gegenüber kommt ein klares und deutliches «Nein, das mache ich nicht! Punkt Basta».

Experiment fertig. Ich behaupte, dass Sie vielleicht bereits bei diesen Gedanken das Nein im Körper gespürt haben. Je nachdem müssen Sie auch kurz in eine vergangene Veto-Situation hineinspüren.

Solche Neins bringen die meisten von uns umgehend in eine kleinere oder grössere Not, machen uns unsicher. Sofort werden Stresshormone ausgeschüttet, der Blick verengt sich. Man möchte dieses unangenehme Gefühl möglichst schnell weghaben und reagiert dann oft wenig beziehungsförderlich mit autoritären Mustern. Der Zugang zu unseren Ressourcen ist blockiert.

Dahinter steckt die Angst, Macht und Autorität zu verlieren. Man muss um jeden Preis die Situation halten, darf das Gesicht nicht verlieren. Wo käme man hin. Ein Ergebnis unserer unbewussten autoritären Prägung.

Ganz anders die Botschaft, wenn man mit einem Nein auch cool und locker umgehen könnte. Ein Nein des Gegenübers keine körperlichen Auswirkungen mehr hätte. Man sich nicht aus der Ruhe bringen liesse. Standhaft bliebe, ohne sofort ins Manipulieren (Belohnen, Bestrafen, Beschuldigen, Beschämen) zu kommen. Seinen Weg weitergehen würde. Gleichwürdig bliebe. Wetten, der Einfluss wäre grösser und unsere persönliche Autorität sogar gewonnen.

Ein Veto könnte einem auch dazu inspirieren, den Auftrag zu hinterfragen oder vielleicht sogar loszulassen. Denn manchmal muss Mensch ja gar nicht „standhaft“ bleiben, sondern bekommt durch das Veto den wichtigen Hinweis, dass ich da gerade etwas wenig Sinnenhaftes von jemandem wollte, oder dass ich vielleicht (unbewusst) eine Grenze überschritten habe. In dem Fall kann das Veto auch eine Hilfestellung sein, um etwas Neues zu lernen oder auszuprobieren oder sich für die Perspektiven anderer zu öffnen. Also im guten Sinne vom eigenen Weg abzukommen.

Mit solchen Möglichkeiten wären wir VETO-kompetent. Wir würden mit einem «Nein» viel besser umgehen können. Würden dies auch nicht sofort als Angriff gegen uns und «die Ordnung» lesen. Wir hätten an uns und unseren «autoritären» Mustern gearbeitet und wären in solchen Situationen viel bewusster und präsenter. Wir hätten die innere Gewissheit, dass selbst ein Veto-Recht grundsätzlich die Kooperation verbessern oder erst ermöglichten würde.

Wollen Sie das für sich lernen? Dann ist die VETO-Weiterbildung nach Maike Plath ein möglicher Weg dazu.

Informationen und Ausschreibung hier:

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Belohnungen korrumpieren intrinsische Motivation und Ziele (#011)

Was Managerboni, Schulnoten, Mäuseschwänze und Covid-Zertifikate gemeinsam haben.

Belohnungen sind oft gut gemeint. Leider wird dabei die Schattenseite ausgeblendet, dass sie vom Ziel wegführen und eine Eigendynamik entwickeln. Dies kann man in unserer Welt überall beobachten. Schweizer Banken geraten regelmässig in die Schlagzeilen, weil Manager nicht den langfristigen Unternehmenserfolg im Auge haben. Diese schielen auf ihre Boni und setzen auf kurzfristige Gewinne. Ziel verfehlt?

Das kann man in unserem Schulsystem sehen, wenn Schülerinnen und Schüler nur ihre Noten im Blick haben. Es geht nicht um langfristiges Können. Die Lernenden füttern ihr Kurzzeitgedächtnis für die Prüfung, danach kann das ganze wieder vergessen werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnen dies als Bulimielernen. Ziel verfehlt?

Das gleiche passierte auch mit den Covid-Zertifikaten während der Pandemie. Das Ziel, Sicherheit und Gesundheit wird korrumpiert, weil «die Belohnung» den falschen Fokus setzt. Das galt für Geimpfte und Ungeimpfte gleichermassen. Man hat mit «den Regeln» kooperiert, holt sich sein Zertifikat und damit basta. Man wähnt sich in falscher Sicherheit und blendet aus, was weiterhin nötig gewesen wäre: Nämlich Distanz zu halten und die Kontakte einzuschränken. Ziel verfehlt?

Aus meiner systemischen Ausbildung ist mir der Satz, dass «alle aktuellen Probleme einmal (meist gutgemeinte) Lösungen waren» immer präsent. Er hilft mir, vom kausalen Denken wegzukommen und uns Menschen und die Welt anders zu lesen. Grundsätzlich lieben es Menschen zu kooperieren, weil es ein zentrales Grundbedürfnis ist. Belohnung in der Führung ist immer eine Form von Manipulation, welche die natürliche Autorität und das Ziel einer Sache untergraben kann.

Und die Mäuseschwänze? Als mein Vater jung war, herrschte in der Gegend eine Mäuseplage. Die Kinder und Jugendlichen bekamen für ihre Mithilfe eine Prämie. Pro Mäuseschwanz einen schönen Batzen. Die Geschäftsidee einer Mäusezucht war geboren.

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Ich zolle Respekt (#007)

Ich bekam diesen Brief kurz nach (m)einem Kurs zum Thema Beziehungskompetenz. Wenn ich solche Rückmeldungen lese, bin ich jeweils tief berührt und fühle mich in meiner Arbeit bestätigt. Es ist manchmal so einfach, auf beziehungsförderliche Art die Führungsrolle zu etablieren. Ein geglückter Schulstart für eine Lehrerin und ein Kind. Ich zolle allen Fachpersonen Respekt, die sich auf den Weg «Vom Gehorsam zur Selbstverantwortung» machen.



Lieber Urs

Ich danke dir herzlich für die beiden Kurstage! 

Es war gestern ein höchst intensiver Morgen im Kindergarten mit den neuen Kindern, Eltern und einem Jungen, der meine Grenzen austesten musste. Am Nachmittag liess er sich schon besser führen und heute wäre er niemandem mehr aufgefallen! Auf Machtkämpfe verzichte ich nun ganz. Ein Beispiel: Er wollte nicht in seiner Göttigruppe spielen. Ich beliess es dabei und heute klappte es problemlos! Noch vor den Ferien hätte ich sofort darauf beharrt. Oder: Auf dem Spielplatz überschritt er bewusst die Spielplatzgrenzen und beobachtete, wie ich reagiere. Ich rannte ihm nicht nach und sagte nur, er wisse, wo unsere Grenze ist. Am Nachmittag und heute war auch das kein Thema mehr! 

Ich hatte nach deinem Kurs noch einige Bücher bestellt, weil ich in diese Haltung so richtig eintauchen will. Der Kurs und die Bücher haben mich ein grosses Stück weitergebracht auf dem Weg, den ich seit etwa 2 Jahren gesucht und eingeschlagen habe. Ich merke auch, dass es tatsächlich um die Haltung und Einstellung geht und nicht um Strategien! Es ist wie ein Stück neue Freiheit, in dieser „kampflosen“ Beziehung auch zu schwieriger zu führenden Kindern zu stehen! Ich bin realistisch genug zu wissen, dass der Kindergartenalltag auch jetzt nicht nur harmonisch verlaufen wird, aber ich fühle mich sicherer und auf einem guten Weg! 

Herzlichen Dank und alles Gute!

O.


Der Brief ist ein gutes Beispiel zum nützlichen Umgang mit dem Kooperations-Impuls, der in Blogbeitrag #006 beschrieben ist.

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