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Wer ANTI ist, bleibt gefangen (#023)

Dagegen oder Für etwas?

Im Coaching letzte Woche ist wieder einmal ein Thema aufgetaucht, welches mich immer wieder fasziniert und mich selber zum Reflektieren angeregt hat: Eine gestandene Fachperson musste für sich feststellen, dass sie sich mit einer charismatischen «Ausbildnerin» von früher (über 20 Jahre) immer noch stärker verbunden fühlte als gedacht. Sie konnte hinter gewissen Eigenschaften nicht stehen und hat sich dazumal in eine ANTI-Haltung gebracht. Leider brachte sie dies, wie sie feststellen musste, nicht in die Freiheit.

Wer eine Gegen-Position einnimmt, ist in der Regel immer noch stark mit der eigentlichen Position verbunden. Man kämpft, ist «anti» und trotzdem löst man sich so nicht vom „Gegenüber“. Man ist weiterhin mit dem bekämpften Pol verbunden, so meine Meinung, und stärkt diesen wohl zusätzlich noch. Hier einige Beispiele:

  • Parteien, deren Hauptthema ist, eine andere zu bekämpfen, stärken diese.
  • Ein Jugendlicher, dessen Vater Oberst im Militär ist und er als Gegenhaltung in einer Friedensbewegung mitmacht, bleibt weiterhin mit dem Vater-Thema verknüpft.
  • Das gegenwärtige Schulbashing von allen Seiten ist nicht zielführend und bringt der Entwicklung rein gar nichts. Erst jene, die bewusst neue Wege einschlagen, ob inner- oder ausserhalb des Systems, unterstützen diesen Prozess mit positiver Energie.

Wer etwas Neues in die Welt bringen will, darf nicht «gegen» etwas sein, sondern muss «für» etwas einstehen. Es ist nützlich, vom «Alten» die Energie wegzunehmen und die Energie in das «Neue» zu stecken. Bildhaft gesprochen würde das heissen: Ich schaue in jene Richtung, wo mein Ziel ist, anstatt immer auf das zu starren, was ich nicht möchte. Sozusagen bewusst mental und körperlich die Blickrichtung ändern.

Statt: Da bin ich dagegen. Das ist schlecht. So will ich nicht werden:
Besser: Dafür stehe ich ein! Das möchte ich in die Welt bringen! Darauf verwende ich Energie!

Und das Gewesene (oder Alte oder Andere) schätzen und dankbar verabschieden. Denn alles, was man heute als Problem sieht, war früher einmal eine Lösung. Siehe dazu diesen Blogbeitrag.

Als schöne Übung auf der Körperebene könnte folgender Impuls helfen:
Strecke beide Arme leicht nach vorne aus, Handflächen nach oben.
Und jetzt bewege die Arme abwechselnd mit Schwung von vorne nach oben und nach hinten.

Über die Schulter. Schwupps!
Rechts und links im Wechsel.
Und rechts. Schwupps!
Und links. Schwupps!
Schulterwurf.
Lass den Stress hinter dir!
Lass den Ärger hinter dir!
Schwupps, über die Schulter!

Quelle: Croos-Müller, Claudia: «Ich schaf(f) das – Leichte Körperübungen für mehr Lebenspower» aus dem Kösel Verlag:

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Achtung Störgefühl – Neue Autorität ohne gefestigte Haltung ist gewaltvoll (#022)

Störgefühle zur Neuen Autorität – Wer überlegt mit?

Gegenwärtig wird die pädagogische Landschaft in der Schweiz mit der Neuen Autorität „zugepflastert“. Ich finde daran viel Gutes und unterstütze das Bestreben, von Bestrafung, Beschuldigung und Beschämung wegzukommen. Trotzdem höre ich von Menschen im Umfeld (aus Familien, Schule und Beratung) immer wieder Störgefühle, welche ich hier gerne teilen möchte:

– Wer Jesper Juul kennt, weiss, dass entscheidend an guten Beziehungen die entsprechende Haltung der Fachperson und diesen Werten entsprechende Verhaltensweisen stehen. Um diese zu erarbeiten, braucht es viel Auseinandersetzung mit sich und in den Kollegien, um in Stresssituationen nichts ins Autoritäre zurückzufallen. In vielen Schulen und Institutionen wird die Neue Autorität zu oberflächlich eingeführt.
– Immer wenn in Beziehungen „Methoden“ angewendet werden, um etwas zu erreichen, sind wir auf der (zum Autoritären gehörenden) Manipulationsebene. Formen wie Helfernetzwerke oder SIT-INs werden dann, v.a. wenn die Haltung nicht gefestigt ist, schnell als „gewalttätig von oben“ erlebt.
– Auch ist der Vergleich mit Mahatma Gandhi etwas schwierig. Dort ging es um den gewaltlosen Widerstand der Machtlosen gegenüber den Mächtigen. In Schulen und Institutionen ist immer 100% der Macht bei den Erwachsenen (auch wenn sie sich manchmal ohnmächtig fühlen) und nie bei den Kindern und Jugendlichen. Die Verantwortung für die Qualität der Beziehung auch.

Meine These (Die Bilder helfen zum Verstehen):

Dies stärkt weder das Selbst(wert)gefühl noch die Resilienz der Kinder.
Ersteres passiert, wenn das Kooperieren auf innere Einsicht oder auf gleichwürdige Führung entsteht. Dem würde ich dann EINORDNEN sagen. Ist das nicht der Fall, würde ich es als fremdbestimmtes UNTRERORDNEN bezeichnen.

Gerne würde ich mich mit interessierten Menschen zum Austausch an der Schnittstelle treffen. Wer von Seite Neue Autorität oder aus dem Ansatz Jesper Juul / Veto-Prinzip wäre an einem Austausch interessiert?

Mir geht es darum, die verbindenden Aspekte zu schärfen und Vorurteile und Störgefühle auch gegenseitig auszutauschen. Das Verbindende zu finden, um alle Lebenswelten für Kinder und Jugendliche authentischer und gleichwürdiger zu gestalten?

 

Hier geht es zu einem 2-stündigen ONLINE-Austausch für interessierte Fachpersonen.

Workshops „Führen und Erziehen über Beziehung: 1 Tag ONLINE / 2 Tage in St. Gallen
Einführung ins Veto-Prinzip: Kurz-Workshop von Maike Plath in Zürich.

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Eine wahre Wundertüte – Persönliche Gedanken zur Veto-Weiterbildung (#021)

Waren Sie bis jetzt vom Wort Veto oder Veto-Prinzip® abgeschreckt? Das kann ich gut verstehen. Wo kämen wir hin, wenn alle nur noch Veto machen? Oder finden Sie die Idee dahinter und die Möglichkeiten gut und inspirierend? In Wahrheit geht es natürlich nicht um das Veto, sondern um die Lust. Herauszufinden, was man wirklich will. In allen Facetten unseres Lebens.

Hier habe ich für Sie zusammengetragen, was mich am Veto-Prinzip und an der Veto-Weiterbildung fasziniert und warum das aus meiner Sicht echt etwas Neues ist. Als Organisator in der Schweiz habe ich jetzt zwei Durchgänge hautnah miterlebt und bin von Inhalt und Vorgehen sehr überzeugt. Hier meine 10 Punkte:

1 Etwas echt anderes / Gesundheit und Resilienz

Sie machen diese Weiterbildung für sich selber. Den Selbstwert und die Integrität stärken, beziehungsweise den Veto-Muskel für Gesundheit und Resilienz. Es geht also um das Erleben im Innen und nicht um die Karriere im Aussen. Die Fokussierung auf die eigene Integrität und die Integrität der anderen Menschen ist einzigartig und in dieser Form radikal. Durch dieses innere Reset während der Module verändert sich der Auftritt im Aussen. Die Teilnehmenden werden authentischer, klarer und durchsetzungsstärker.

2 Keine Zielgruppe / Der Mensch im Fokus

Egal mit welchem Ziel man die Weiterbildung macht: Der Fokus auf die eigene Person und die eigene Haltung ist die Ausgangslage. Daraus entstehen dann die Handlungsmöglichkeiten für den beruflichen Alltag mit kleinen und grossen Menschen. Ob Kindergärtnerin oder Geschäftsleiter, Gruppenleiter oder CEO. Die Weiterbildung verändert dein Auftreten in der Welt.

3 Kein Müssen / Das Veto-Recht

Niemand muss irgendetwas machen, was er nicht möchte. Und ich erlebe, dass sich der Satz bestätigt, dass «nur echt kooperieren kann, wer auch die Möglichkeit zum Nein-Sagen hat». Jede Person darf so sein, wie sie ist. Niemand muss sich verstellen. Ein echtes Veto löst in der Gruppe Freude aus, weil es zeigt, dass jemand Verantwortung für sich übernimmt. Es braucht keine Schein-Kooperation mit der Leitung und oder der Gruppe und keine Rechtfertigungen. Wegen des Vetos fällt niemand raus. Und trotzdem und vielleicht genau deshalb sind und bleiben Effizienz und Produktivität während der Kurstage hoch.

4 Keine Angst mehr vor dem NEIN / Die Veto-Kompetenz steigt

Durch die Auseinandersetzung und dem Experimentieren mit dem NEIN steigt die Fähigkeit, locker und entspannt zu bleiben, wenn seitens Mitarbeitenden oder Schülerinnen und Schüler Widerstand kommt. Statt selber in die Not zu kommen und auf autoritäre «Hilfsmittel» wie Belohnen, Bestrafen, Angst machen usw. zurückzugreifen, lernen die Teilnehmenden verschiedenste Möglichkeiten, wie man Mitarbeitende oder Schülerinnen und Schüler, die abgehängt haben, wieder erreichen und zur Kooperation ermutigen kann.

5 Keine Rollenspiele / Das Status-Reset-Verfahren

Um Gelerntes auch im Alltag anwenden zu können, braucht es zusätzlich zum Verstand auch die Integration von Körper und Gefühlen. Und das geht schlussendlich nur über «Rollenspiele». Diese sind zu 100 Prozent selbstgesteuert und finden ohne fremdes Publikum statt. Hier musste ich ganz oft schmunzeln, denn zum Schluss – weil niemand spielen muss – tun sie es dann alle von sich aus. Das sogenannte Status-Reset-Verfahren ist ein unglaublich wirkungsvolles Intervisionstool, um neue Handlungsweisen für den Alltag vorzubereiten. Von Modul zu Modul verändern die Teilnehmenden so ihre Wirklichkeit und ihr Erleben.

6 Kein Statusgefälle / Gelebte Augenhöhe

Auch wenn mit Maike Plath «die Expertin und die Gründerin» im Saal ist und zu Beginn die Prozesse anleitet: Die Kommunikation und die methodischen Settings zeigen modellhaft vor, wie auch in verschiedenen Rollen auf Augenhöhe gelernt und zusammengearbeitet werden kann. Die Teilnehmenden erleben einen modellhaften sicheren Raum mit grossem Respekt voreinander. Und weil sie das im Alltag oft vermissen, kommt man immer wieder gerne zusammen und vernetzt sich auch nach der Weiterbildung.

7 Keine Powerpoint-Folien / Das Lernen geht übers Erfahren

Gearbeitet wird immer nach dem Dreischritt: Ziel, Erfahrung und Reflexion. Das geniale daran ist, dass in den Erfahrungsspielräumen erwünschte (und unerwünschte) Wirkungen jederzeit sofort spürbar und veränderbar werden. Man gelangt so immer wieder in die Zukunft, erfährt wie sich das neu aufgebaute Verhalten anfühlt und wirkt. Die theoretischen Inhalte sind in sogenannten Mischpulten ausgelegt, was bedeutet, dass das benötigte Wissen jederzeit im Raum für alle sichtbar und abrufbar ist. Das berücksichtigt auch das unterschiedliche Vorwissen und die verschiedenen Lerntypen.

8 Keine Aufträge abarbeiten / Dein «Ich-will» im Fokus

Alle Aufträge sind jederzeit Möglichkeiten und Vorgehensvorschläge. Die Gruppen wählen selber ihr Ziel und ihren Weg. Jede Person holt sich das, was sie aktuell will und brauchen kann. Selbstbestimmt führen und selbstbestimmt folgen, das typische «Schülerverhalten», was auch Erwachsene immer wieder zeigen, wird so ziemlich schnell abgelegt.

9 Kein Drehen im Kreis / Echte Veränderung und hin zu echter Verbindung

Um gut zu führen werden die beiden Kernkompetenzen von Beziehungsorientierung gestärkt. Das ist einerseits die Empathie, um Nähe, Verbindung und Kooperation zu schaffen. Zusätzlich braucht es aber auch die Kompetenz der guten Abgrenzung. Hier geht es darum Distanz zu senden und dies auch auszuhalten. Durch die schrittweise Erweiterung der Statuskomfortzone, wird es uns möglich, Situationen und Beziehungen neu zu gestalten. Unbewusste Verhaltensweisen und Muster ablegen und sich neu in der Welt bewegen.

10 Das Innen stärkt das Aussen / Vetokompetenz als Turbo für New Work

Menschen, die das Veto-Prinzip verinnerlicht haben, sind super parat für sämtliche Formen von Soziokratie, agiler Führung und Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Sie sind sozusagen für «Hierarchiefrei ist besser» ausgebildet und werden in schwierigen Situationen und unter Stress weniger schnell in «die in uns allen noch vorhandenen» autoritären Muster zurückfallen. Wer sich also mit modernen agilen Unternehmensformen beschäftigt, findet im Veto-Prinzip® einen Fundus von Ideen für den inneren und äusseren Wandel.

Alles in allem finde ich, dass das Veto-Prizip etwas Magisches auslöst. Durch die Möglichkeit des Neins entsteht ein viel stärkeres Ja. Und lässt Menschen sichtbar ent-spannen.

St. Gallen im September 2024 – Urs Eisenbart

Interessiert am Veto-Prinzip®? Hier geht es direkt zum Veto-Institut und zur Weiterbildung.

Oder zum Kurz-Workshop von Maike Plath in Zürich.

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Probleme und so – Vom nützlichen Umgang mit diesem Alltagswort (#020)

„Geh mir weg mit deiner Lösung, sie ist der Tod für mein Problem.

Was Annett Louisan in ihrem Lied treffend beschreibt, ist eine von verschiedenen Aussagen, wie man über den Umgang mit «Problemen» nachdenken kann. Es ist darum gar nicht immer so klar, was hinter «Problemen» steckt und ob man solche auch lösen oder weghaben will. In meinen systemischen Ausbildungen habe ich viel zu diesem spannenden Thema gelernt. Ich hoffe, die folgenden Gedanken inspirieren Sie und regen zu Diskussionen an. Oder ermuntern Sie, bei Problemen zu etwas mehr Gelassenheit und Schmunzeln. Dies ist sowohl gesund wie nützlich. Denn in einer solchen Stimmung entstehen meist auch die besseren Problemlösungen.

Ein Problem wird immer hergestellt

Ein Sachverhalt wird erst dann zu einem Problem, wenn jemand diesen dazu macht. Mein Freund kann jedes Mal zu spät zu einer Verabredung kommen. Wenn ich das nicht problematisiere, ist das lediglich ein Fakt. Wenn ein Schüler zu spät zum Unterricht kommt, wird wohl in den wenigsten Fällen daraus kein Problem gemacht.

Es ist nicht immer klar, wer (welches) Problem besitzt

Im Falle des Schülers müsste sich wohl die Lehrperson zuerst als Problembesitzerin der Unpünktlichkeit zu erkennen geben. Vielleicht löst der Junge so sein eigenes Problem, dass er den Schulweg spannender findet als die Mathelektion. Oder ein zweites Beispiel: Das Schwatzen im Unterricht ist für die Lehrperson lästig, dafür wird das Kontaktbedürfnis der Kinder befriedigt. Systemische Lösungssuche würde heissen: Wie könnte ich das Kontaktbedürfnis der Schülerinnen und Schüler besser stillen, so dass mein Problem des Schwatzens verschwinden würde. Die Frage: «Wer hat das Problem/Wer hat welches Problem?» ist auf jeden Fall in vielen Beratungssituationen mit an Bord.

Probleme verschwinden, wenn sie nicht aktiv aufrecht erhalten, bzw. bewirtschaftet werden

Politische Parteien leben davon, gewisse Probleme zu bewirtschaften. Darum ist die Frage, «Wem nützt es?» auch beim Umgang mit Problemen immer nützlich. Wenn ein Ehepaar immer wieder über die Nachbarn lästert, stärkt es so den eigenen Zusammenhalt. Problembewirtschaftung hilft also, Ehen zu kitten oder sich an der Macht zu halten.

Die Angst vor Problemen ist manchmal grösser als das Problem selbst

Das erklärt zum Beispiel, warum die so deklarierte Ausländerproblematik auf dem Land viel grösser ist wie in der Grossstadt. Oder Menschen zu Hamsterkäufen veranlasst. Menschen Angst zu machen ist bei der Problembewirtschaftung eine bewährte Methode. Auf individueller Ebene sieht man diese Unterschiede auch. Ein Vater kann das Verhalten seiner Tochter als noch ok sehen, während seine Frau darin schon ein „Problem“ erkennt.

Jeder Mensch hat jederzeit die Gelegenheit, Probleme zu kreieren

Natürlich kann es im Beispiel oben auch umgekehrt sein. Der Vater erkennt ein Problem und die Mutter nicht. Und sie können jetzt auch meine Befürchtung sehen, dass Leserinnen und Leser unter ihnen das Gebrauchen von Stereotypen als Problem deklarieren könnten. Während andere noch nicht mal bemerken oder auch wenn sie es sehen, mir noch keinen Strick drehen, bzw. aus meinem Text ein Problem herstellen. Vielleicht auch deshalb, weil man nicht immer Zeit dafür hat, Probleme herzustellen.

Aktuelle Probleme waren vorher Lösungen 

Ob das der Verbrennungsmotor ist oder die Atomkraft. Bahnlinien und Autobahnen entlang von Seeufern, Quecksilberfüllungen in Zähnen oder vielleicht das Wahlsystem in den USA: Viele der heutigen Probleme waren im Laufe der Evolution zuerst Lösungen, also ein Gewinn. Das kann man auch auf der Persönlichkeitsebene sehen: Viele der Kindheitsmuster, die wir heute in Therapien bearbeiten, haben uns früher das Überleben gesichert.

Individuelle Probleme erfordern individuelle Lösungen

Ich habe eine hohe Achtung vor Systemen. Ob das Staaten, Gruppen oder Einzelpersonen sind. Alle entwickeln Muster und Abläufe, die meist unbewusst entstehen, aber wirken. Und so versuchen, die Systeme in Balance zu erhalten. Egal welche «Probleme» meine Kunden in die Beratung mitbringen, auch dafür zolle ich Achtung. Man kann auch immer davon ausgehen, dass alle Menschen, die Beratung in Anspruch nehmen, zuvor verschiedenste Lösungsversuche unternommen haben. Und da ich nie weiss, was die individuelle Wahrheit ist, sammle ich gerne mit meinen Klientinnen und Klienten «Ideen». Und hüte mich vor Rat-Schlägen. Damit jede Person ihre individuellen Lösungswege verfolgen kann.

Probleme als Tatsachen zu sehen, macht handlungsfähig

Hier hilft die letzte Aussage: Macht man Probleme zu Tatsachen, kommt man vom „Lästern“ in mögliche Handlungen und übernimmt Verantwortung. Bewegung kann entstehen – von der Problemtrance und Schuldzuweisung in die Lösungswelt.

Welche Aussage hat Ihren Horizont erweitert? Gerne arbeite ich zusammen mit Ihnen an ihren „Problemen“, als Sparringpartner auf Augenhöhe.

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Die natürlichen Kompetenzen – Ein Zugang zu Integrität und Resilienz (#019)

In unserem hektischen Alltag sind wir mit unserer Aufmerksamkeit oft im Aussen. Das bedeutet, dass wir dauernd in Gefahr laufen, den Kontakt mit uns selbst und unserer Integrität zu verlieren. Dabei schneiden wir uns auch von unseren natürlichen Kompetenzen ab, welche helfen, dass wir innerlich in Balance bleiben. Dass wir merken, wer und wie wir grad sind und was wir im Moment brauchen.

Wir können diese Kompetenzen trainieren. Sie tragen zu unserer Ganzheit und Authentizität bei und stärken die natürliche Autorität, jene zentrale Ressource, wenn wir andere Menschen beziehungskompetent führen und begleiten.

Herz: Wir besitzen die Fähigkeit, zu mögen und gemocht zu werden. Wir können Vertrauen, Freundlichkeit, Anerkennung, Akzeptanz, Mitgefühl und Einfühlungsvermögen zeigen und entgegennehmen.

Bewusstsein: Die Fähigkeit, sich seiner Aufmerksamkeit bewusst zu sein und zu spüren, dass sie die ganze Zeit über da ist. Indem man die Aufmerksamkeit auf Pausen richtet, und ihnen mehrmals täglich Raum gibt, kann man das Verankert-Sein im Hier und Jetzt und damit die Präsenz und die Aufmerksamkeit fördern.

Körper: Es ist wichtig, im Kontakt mit dem eigenen Körper zu sein, wenn es um die Verankerung im Jetzt geht. Deshalb ist es nötig, immer wieder das Körperbewusstsein zu fördern, in dem man seine Aufmerksamkeit auf verschiedene Bereiche im Körper richtet und auf Ruhe und Bewegung achtet.

Atem: Wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten, ist der Atem ein guter Anker. Die Atmung schafft eine Bewegung in der Körpermitte und an den Seiten des Körpers. Das Beachten und Spüren der Atmung und der dadurch ausgelösten Bewegung hilft, den Kontakt zur Mitte des Körpers zu finden und führt zu einer ausgeglicheneren Balance zwischen nach innen und aussen gerichteter Aufmerksamkeit.

Kreativität: Damit ist eine allgemeine Grundkreativität gemeint. Wir alle empfangen unablässig Impulse, auf die wir reagieren und auf die wir unser Handeln ausrichten. Allein schon darin liegt eine schöpferische Tätigkeit, die wir als Kreativität bezeichnen und die allen Menschen gegeben ist.

Dabei sind diese natürlichen Kompetenzen in uns angelegt. Ein Säugling, der vollkommen entspannt daliegt, atmet natürlich und tief. Bei jedem Atemzug bewegt sich sein ganzer Körper, sein Blick ist wach, und sein Gesicht und die Körperhaltung sind offen. Er bringt seiner Umgebung eine ganz natürliche Offenheit entgegen, und reagiert auf diese entsprechend den Impulsen, die er von innen und aussen erhält. Dieses Bild ist ein Beispiel für die fünf natürlichen Kompetenzen, wenn sie alle gleichzeitig aktiv sind

Das unten angegebene Buch von Helle Jensen ist eine Ideensammlung für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Der Fokus der Übungen liegt auf dem Wahrnehmen – auf dem „Nach-innen-Gehen“ und nicht auf dem, was man spürt. Die Basisübungen fokussieren auf eine Kompetenz, mit der Zeit werden verschiedene Kompetenzen miteinander verbunden.

Viele Übungen lassen sich adaptieren auch auf Erwachsene. Ich verwende sie oft in den Gruppen, in denen ich unterwegs bin. Gerne stelle ich Ihnen dieses Konzept in Ihrer Institution persönlich vor. Eine Einführung (2h Online) gebe ich hier. Für Lehrpersonen und andere Interessierte ist vielleicht dieser Ferienkurs interessant. Es braucht keinerlei Vorkenntnisse.

Literatur: Jensen, Helle (2014): „Hellwach und ganz bei sich“ Achtsamkeit und Empathie in der Schule. Beltz Verlag, Weinheim und Basel.

Siehe dazu: Existenzieller Konflikt (#014) / Sie Sie auf Ihrer Bahn? (#006)

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Flipchart mit dem Text: Luis Rubiales ist nicht allein! Warum noch oft die falschen Typen an Führungspositionen sitzen. Und was das mit dir und der Gesellschaft zu tun hat.

Luis Rubiales ist nicht allein – Warum oft die falschen Männer an Führungspositionen sitzen. NOCH! (#018)

Flipchart mit dem Text: Luis Rubiales ist nicht allein! Warum noch oft die falschen Typen an Führungspositionen sitzen. Und was das mit dir und der Gesellschaft zu tun hat.Dafür benutze ich die Brille des Veto-Prinzips® von Maike Plath. Sie unterscheidet darin verschiedene (Selbst-) Führungstypen*: Schildkröte, Löwe, Kläffer und Erdmännchen

Luis Rubiales als spanischer Fussballverbandspräsident ist ein typischer Löwe, was sich aus den Zeitungsberichten leicht herauslesen lässt. Löwen haben eine klare Vorstellung, was (für sie) richtig oder falsch ist. Sie haben eine sehr egozentrische Sicht auf die Welt. Sie können sich kaum in die Perspektiven des Gegenübers versetzen und ihr Verhalten schlecht reflektieren. Kritiker sind für sie Idioten. Andere Menschen Objekte, um ihre Ziele zu erreichen. Sie haben einen hohen Selbstwert und weil ihre Körperhaltung gegen aussen Hochstatus vermittelt, ordnen sich viele Menschen solchen Löwentypen unter. Löwen habe eine natürliche Autorität und wegen ihrem Empathie-Defizit eine hohe Durchsetzungskraft. In der (noch) patriarchalen Welt wird das meist als anzustrebender Führungstyp gesehen. Wer mit Löwen zu tun hat, muss sich unterordnen und nach deren Pfeife tanzen. Wer das brav macht, darf aufsteigen und ist Teil des Zirkels. Oft sind die Nacheiferer in der Sprache von Maike Plath sogenannte Kläffer oder Hilfssheriffs. Da sie selber einen schlechten Selbstwert haben, möchten Sie gegen aussen hin stark wirken.

Warum kommen nun solche Menschen (es gibt auch Frauen im Löwen oder Kläffer) an Führungspositionen?

Alle Menschen haben grundsätzlich das Potenzial, alles Facetten zwischen Hoch- und Tiefstatus zu leben. Wir nisten uns jedoch im Laufe unseres Lebens – meist unbewusst innerhalb der patriarchalen Strukturen – in einer Statuskomfortzone ein. Während für wenige Löwen der Hochstatus normal ist, «verstecken» sich viele Menschen durch Tiefstatus im angepassten, gehorsamen Erdmännchen. Erdmännchen sind sehr emphatisch, können sich aber ganz schlecht abgrenzen. Sie passen sich lieber an, statt für sich einzustehen und sind konfliktscheu. Statt Löwen in Schranken zu weisen und für sich einzustehen geben Sie klein bei.

Erdmännchen müssen Verantwortung übernehmen. Wenn diese sich auf den Weg machen und Abgrenzungskompetenz lernen und zusammenstehen, dann hätten wir auf dieser Erde Führungspersonen, welche echtes Leadership leben und nicht «machtgeile und narzisstische Egoisten». Get up, stand up! Sobald Erdmännchen die Kunst der Abgrenzung können, werden sie zu Schildkröten, jenem Führungsstil, bei welchem Menschen gerne selbstbestimmt kooperieren und ihren echten Selbstwert wahren und ausbilden können.

Ein Seminar zum Schnuppern: https://www.urseisenbart.ch/event/die-erdmaennchen-challenge-1/

Lernen Sie gleichwürdige (Selbst-)Führung. Entwickeln Sie Ihre Abgrenzungs-Kompetenz und stärken Sie Ihren «Integritäts-Muskel». Kommen Sie mit auf den Weg zur Schildkröte und steigen Sie aus patriarchalen Strukturen aus. Schildkröten führen auf Augenhöhe, stärken den Selbstwert aller Beteiligten und nutzen ihren Einfluss zum Wohle einer Sache.

Die Veto-Weiterbildung: https://www.urseisenbart.ch/event/weiterbildung-vetoprinzip-1/

Von welchem Führungstypen* werden Sie geführt?

  • Werden Sie von einer Schildkröte geführt, fühlen Sie sich grundsätzlich wohl, gesehen und respektiert. Sie kooperieren selbstbestimmt. (Gut für Ihren Selbstwert und Ihre Resilienz)
  • Werden Sie von einem Löwen geführt, haben Sie Respekt vor seinen Kompetenzen und seiner Autorität, Sie fühlen sich aber nicht frei und ordnen sich unter. (Was schlecht ist für Ihren Selbstwert und Ihre Resilienz)
  • Werden Sie von einem Kläffer geführt, wissen Sie selten, woran Sie wirklich sind. Sein Verhalten hat keine klare Linie. Sie kooperieren aus Angst. (Sehr schlecht für Ihren Selbstwert und Ihre Resilienz)
  • Werden Sie von einem Erdmännchen geführt, kommt das nicht gut. Erdmännchen halten keine Dissonanzen und keinen Widerstand aus. Es ist zu wenig Führung da. (Ein Führungsvakuum ist schlecht für die Mitarbeitenden)

*Hier sind die 4 Führungstypen erklärt: https://youtu.be/AZUUQX3YABw.

Zum neuen Buch (2023) zum Veto-Prinzip® und zum kostenfreien Videokurs von Maike Plath geht es hier:

Luis Rubiales ist auch bei meinen ZRM-Häppchen ein Thema.

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Wir alles sind Marlen Reusser I – Täglich im existenziellen Konflikt (#017)

Am Beispiel von Marlen Reusser lässt sich der existenzielle Konflikt nochmals wunderbar erklären. Die Schweizer Radrennfahrerin hat mitten in einem wichtigen Rennen ohne ersichtlichen Grund aufgegeben. Ich habe grossen Respekt vor Frau Reusser, ihrem Entscheid und freue mich, dass sie «die Vorgänge in ihrem Inneren» der Öffentlichkeit zu Verfügung gestellt hat (Quelle: St. Galler Tagblatt vom 12. August 2023). Das, was ihr passiert ist, betrifft uns alle. Täglich!

Am 10. August 2023 startete sie an der Rad-Weltmeisterschaft in Schottland als Favoritin im Einzelzeitfahren. «Doch nach etwas mehr als der Rennhälfte sitzt die Schweizerin nicht mehr auf dem Sattel, sondern mit aufgerissenem Trikot und weinend im Gras am Strassenrand.» In einer aufschlussreichen Stellungnahme hat sie zusammengefasst berichtet, dass sie das Sportlerinnenleben mit viel Leidenschaft betrieben, dieses jedoch in den letzten Monaten stark am Energiehaushalt gezerrt hat. Wegen einer intensiven und erfolgreichen Saison blieb kaum Zeit und Raum, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Hier meine Interpretation, die ich den Leserinnen und Lesern als Idee zu Verfügung stelle: Marlen Reusser ist das passiert, was – in unserer aktuellen Gesellschaft –  neun von zehn Menschen unbewusst passiert. In den meisten Fällen übergeht man Integrität und wählt Kooperation. Sagt JA, auch wenn man innerlich bei NEIN ist. Dabei ist es keinesfalls Egoismus, die eigene Gesundheit und Bedürfnisse zu schützen, sondern schlicht und einfach lebensnotwendig. Diese Grundkompetenz wird jedoch in unserer Gesellschaft übergangen. Wir lernen das nicht als Kinder, weil die wenigsten Erwachsenen diesbezüglich schon Vorbilder sind. Wenn von Verantwortung geredet wird, meint man aller meistens die soziale Verantwortung.

Sie habe zwar gespürt, dass sie eine Pause brauchte, dies aber aus Rücksicht auf all die involvierten Menschen (Fans, Verband, Sponsoren …) und ihre Position («Mein Leben ist ein Privileg») nicht gemacht.

Marlen Reusser hat aus meiner Aussensicht eine Musterkarriere hingelegt: Zuerst Ärztin, danach Radprofi. Wenn man etwas echt will und aus eigenem Willen kooperiert, ist das kein Problem. Auch dass man für eine Zeit lang Bedürfnisse für ein angepeiltes Ziel unterdrückt. Wenn man aber aufgrund von Erwartungen (Lehrpersonen, Eltern … später dann auch Fans, Verband und Sponsoren) Normen erfüllt oder sich zu stark anpasst, kann das im wahrsten Sinne des Wortes schiefgehen, gerät die Balance in Schieflage: «Lebe ich mich» oder «Lebe ich die Erwartungen anderer». Oder anders gesagt: Entwickle ich (m)eine echte Identität oder eine (sogenannte) Fake-Identität.

«In diesem Zeitfahren habe ich erkannt, dass ich überhaupt nicht bereit bin, das nicht will. Ich habe das für andere Leute getan. Es wäre dann der Teil gekommen, in dem ich hätte aufdrehen müssen, und ich hatte überhaupt keinen Bock darauf. Und danach habe ich angehalten.»

Ist die Balance zwischen Integrität und Kooperation nicht ausgeglichen, sendet der Körper zuerst leise Signale aus. Nehmen wir diese nicht wahr, werden sie immer lauter, bzw. entstehen Symptome. Burn-Out ist ein solcher Fall: Erlaubt mir mein Kopf nicht «Jetzt ist Schluss» zu sagen, macht es der Körper». Insofern war die Millisekunde der Erkenntnis während des Zeitfahrens vielleicht «katastrophal» für das Rennen, für ihr weiteres Leben jedoch mit ziemlicher Sicherheit ein Glücksfall.

«Ich habe noch nicht genug vom Velofahren. Ich werde wieder Wettkämpfe bestreiten. … Aber ich muss mehr auf mich und meinen Körper hören.»

Für ihre weitere Karriere würde es für Frau Reusser Sinn machen, eine Balance zu finden zwischen persönlicher und sozialer Verantwortung. Dass sie ihre Integrität ebenso achtet wie das Bedürfnis nach Kooperation. Immer wenn ein Mensch für sich selber einsteht, stärkt er oder sie den eigenen Selbstwert und somit Gesundheit und Resilienz.

«Womöglich würden ganz viele Leute mal eine Pause benötigen, und wir sollten mehr davon machen.»

Dafür ist es unerlässlich, persönliche Verantwortung zu übernehmen. In der Schule und Arbeitswelt lernen wir es nicht, auch die wenigsten von uns haben dies in ihren Familien mitbekommen. Es ist deshalb wichtig für Eltern, Fachpersonen, Trainerinnen und Trainer, Lehr- und Führungspersonen, dass wir uns das immer mehr selber aneignen, damit wir diese Kompetenz Kindern und Jugendlichen auch weitergeben können.

Wäre Marianne Reusser bei mir im Coaching, würde ich mit ihr nach der Methode des Zürcher Ressourcen Modell ZRM® ein passendes Motto-Ziel finden, um dieses neue Verhalten der Abgrenzung möglichst schnell zu etablieren. Dazu ist die Unterscheidung zwischen Selbstregulation und Selbstkontrolle wichtig, beziehungsweise die Integration von Verstand und unbewussten Anteilen. Sie finden diese Infos bei den ZRM-Häppchen hier.

Quellen:
Helle Jensen/Jesper Juul: «Vom Gehorsam zur Verantwortung»
Maike Plath: «Das Veto-Prinzip®»

Siehe dazu: Existenzieller Konflikt (#014) / Kooperationsimpuls (#006)

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Konsequente Inkonsequenz (#016)

Letzthin haben wir in einer Supervisiongruppe den Begriff «bewusste oder reflektierte Inkonsequenz» erfunden. In der Reflexion mit dem Übertitel «Umgang mit Widerstand*» ging es um die Herausarbeitung einer längerfristig nützlichen Haltung im Team. Es war schnell klar, dass hier nicht – wie oft beobachtbar in pädagogischen Teams – zwei «unversöhnliche» Haltungen gegenüberstehen: Die eine Gruppe, die für totale Konsequenz steht, die andere, die für beziehungsorientiertes situatives Vorgehen ist. Also keine Diskussion, sondern das Ringen um einen gemeinsamen Weg:

„Wie wollen wir vorgehen, im Wissen darum, dass der autoritäre Umgang mit «Widerstand» über Formen der Manipulation wie Belohnen/Bestrafen usw. die Beziehung torpediert und Trennung statt Verbindung schafft. Und lediglich dazu führt, dass beim Gegenüber weder eigenveranwortete Kooperation noch persönliches Commitment entsteht. Und was tun wir, wenn wir selber unsicher sind, um nicht in autoritäre Muster zurückzufallen?

Es ging also darum, sich im Spannungsfeld  «Autoritär versus Beziehungsorientierung» zu reflektieren und eine Haltung zu entwickeln, die langfristig wirkliche Resultate in Bezug auf die Kooperation bringt. Darum ist es für echte pädagogische Prozesse wichtig in Bezug auf Bezugspersonen einerseits konsequent ein Ziel zu verfolgen, andererseits das «noch nicht» auszuhalten. Denn dieses Vorgehen ist langfristig 100x nützlicher und stärkt bei allen Beteiligten Integrität und Resilienz:

„Konsequente Inkonsequenz“ kann also verglichen werden mit folgenden Begriffen aus dem Yoga: «Ishvarapranidana», was «Hingebungsvoll loslassen» bedeutet. Oder «sthirasukram», was «Entspannte Aufmerksamkeit» bedeutet. Bei allen diesen Beispielen geht es darum, zwei unterschiedliche Qualitäten miteinander zu verbinden.
Keine Person hat auf das «Richtige» gepocht, es wurde sozusagen das gesamte Spektrums der Wirklichkeit ausgelotet. Und das verbindet und hat man auch in der Gruppe gespürt.

Das Gegenteil wäre die zufällige oder fahrlässige Inkonsequenz bei Grenzüberschreitungen. Oder die Inkonsequenz den eigenen Werten gegenüber (Z.B.: Weil du dich so und so verhältst, bin ich jetzt gezwungen andere Saiten aufzuziehen.“) Ich muss mit den Bezugspersonen wollen und «Ich will mit dir und bleibe dran» signalisieren, erst recht, wenn sie (noch) im Widerstand sind.

*Wenn wir systemisch denken wird der Begriff «Widerstand» überflüssig und für die Lösungssuche zum Hindernis. Wir würden mehr von «Hinweis» reden, dass für das Gegenüber etwas nicht stimmig oder sinnvoll erscheint. Denn alle Menschen lieben es grundsätzlich zu kooperieren. Siehe dazu: Existenzieller Konflikt (#014) / Kooperationsimpuls (#006)

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Sind Sie auf Ihrer Bahn? (#015)

Ich habe aus dem Vetoprinzip* das Format «Action-Figuren-auf Bahnen» kennenlernen dürfen. Ein wunderbarer Erfahrungsspielraum, damit Menschen für sich am Thema Präsenz, Achtsamkeit und (Selbst-) Führung forschen können. „Bin ich auf meiner Bahn?“ ist eine wichtige Analogie für eine zentrale Kernkompetenz beim Führen.

Das Format ist einfach und schlicht. Die Aufgabe zuerst banal. Jede Person hat eine Bahn von ca. 10 Metern zu Verfügung, auf welcher man (für lediglich 4 Minuten) machen soll, was man will. Und machen was man will bedeutet auf einer Skala von (fast) gar nichts (z.B. am Boden liegen, in langsamem Schritt die Bahn rauf und runter gehen) bis fast alles (z.B. laut das Publikum beschimpfen, Tanzschritte ausüben, die Landeshymne singen).

So einfach die Aufgabe ist, sie deckt alles auf, was im Kontext Präsenz und Selbstführung von Bedeutung ist.

  • Wie empfinde ich die Zeit? Zu lang oder zu kurz? Oder genau richtig?
  • Wann war ich motiviert etwas zu tun? Gab es auch „Motivationslöcher“ oder Phasen, in denen ich keine Ideen hatte Wie bin ich damit umgegangen?
  • Wann war ich bei mir selbst (also im Flow) und wann war ich im Bewertungs-Modus (innerer Zensor)? Wann war ich „Ausser-mir“)?
  • Wie bin ich mit Phasen des „Ausser-Mir-Seins“ umgegangen?
  • Habe ich von mir etwas gezeigt oder habe ich mich versteckt?

Wie gut kann ich bei mir und somit auf meiner „inneren Bahn“ bleiben, auch wenn andere nicht gleich das wollen was ich will? Wenn der Sohn aus dem Zimmer „Nein“ ruft? Schüler*innen sich nicht an Regeln halten? Wenn Mitarbeitende nicht gleich meine Aufträge ausführen? Wenn ich etwas in die Welt bringen will und Gegenwind aufkommt? Kann ich da bei mir, beziehungsweise in der inneren Ruhe bleiben? Oder wirft es mich dann gleich aus der Bahn? Verliere ich den Fokus auf mein Inneres und meine eigenes Vorhaben, werde nervös und verliere mich dann, weil ich zu stark ins Aussen, zum anderen und dessen Verhalten gehe? Und reagiere dann mit ungewollten automatisierten Verhaltensmustern?

Das kann auch in einem Gespräch passieren oder in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Schaue ich immer darauf, was andere Menschen auf ihrer Bahn machen? Lasse ich mich von anderen von meinem Weg abbringen? Werde ich unsicher, weil ich mich frage, was sie über mich denken? Gelingt es mir da, gemäss der 60:40 „Regel“**, trotzdem etwas mehr bei mir zu bleiben statt beim Gegenüber. Den Fokus auf mich, meinen Körper, meine (Aus-)Richtung zu halten. Eben auf meiner Bahn zu bleiben.

Genau darum geht es, wenn wir beziehungs- und selbstwertorientiert auf Augenhöhe führen: Die Balance zu halten zwischen Führung (auf meiner Bahn bleiben) und Empathie (die Bahn des Gegenübers beachten). Die 60 steht für Führung, Klarheit,  Dranbleiben, Vorangehen. Die 40 steht für Empathie, die Perspektive wechseln, das Gegenüber wahrnehmen und in Resonanz gehen.

Die Action-Figuren auf Bahnen und das Veto-Prinzip können Sie in verschiedenen Seminaren kennenlernen, z.B. hier

Quellen:
*Maike Plath
**Helle Jensen

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Ein Leben lang im existenziellen Konflikt (#014)

Menschen stecken ihr ganzes Leben lang im sogenannten existenziellen Konflikt. Das heisst, wir müssen immer wieder darauf achten, unsere beiden Hauptbedürfnisse zu befriedigen. Das ist auf der einen Seite das Bedürfnis nach Autonomie und der Schutz der eigenen Integrität. Und auf der anderen Seite das Bedürfnis nach Bindung und damit das Kooperieren mit anderen Menschen und der Gesellschaft.

Im vielen Situationen kann man beide Bedürfnisse gleichzeitig unter einen Hut bringen, manchmal muss man sich auch für das eine oder andere entscheiden. Wenn ich mich für meine Integrität entscheide, dann übe ich persönliche Verantwortung aus. Entscheide ich mich für die Gemeinschaft übernehme ich soziale Verantwortung.

Dabei ist wichtig zu beachten, dass sich Menschen in neun von zehn Fällen für Kooperation entscheiden. Wir stellen unsere Bedürfnisse eher zurück, mit der Folge, unsere eigenen Grenzen zu übergehen. Dies weil Menschen einerseits das Kooperieren lieben, sie andererseits aber ihren Platz in der Gemeinschaft nicht aufs Spiel setzen wollen.

Dabei ist es für längerfristige physische und psychische Gesundheit lebenswichtig, sich selber Sorge zu tragen. Dies hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern ist eine lebenslange Aufgabe. Jedoch haben die wenigsten von uns dies auch gelernt. Wenn in der Gesellschaft von Verantwortung geredet wird, wird meist die soziale Verantwortung gemeint.

Es ist also eine Entwicklungsaufgabe, den persönlichen Grenzen gut Sorge zu tragen. Besonders auch dann, wenn wir Führungspersonen sind. Egal ob als Eltern, Chef*innen oder Lehrpersonen. Sind wir hier Vorbild, stärken wir die Integrität und den Selbstwert von anderen. Und: Menschen, die selber gut für sich sorgen, sind besser in Balance und somit auch «echter» sozial.

Quelle: Helle Jensen/Jesper Juul: „Vom Gehorsam zur Verantwortung“

Siehe dazu: Täglich im existenziellen Konflikt (#017) / Kooperationsimpuls (#006)